Blogtour Welt der Schwerter


Kurzgeschichte aus "Welt der Schwerter"

von E.S. Schmidt

Auf dem Weg in den blauen Salon war Siluren aufgeregt wie junger Blauhahn bei der Balz. So lange hatte er gewartet, und nun war der Tag endlich da. Seine Schritte hallten durch die Gänge von Schloss Hohenvarkas, sodass der Türdiener ihn schon von weitem kommen hörte und eilig reagierte. Siluren stürmte geradezu in den Salon.

Eine junge Frau erhob sich und knickste auf eine Art, die zeigte, dass sie dies nicht oft tat. »Eure Hoheit!«

Er trat auf sie zu, ergriff ihre Rechte mit beiden Händen. »Frau von Schnabel, ich freue mich, dass wir uns endlich treffen.«

»Ahem … nur Schnabel, Eure Hoheit.«

Natürlich wusste er das, aber die meisten Bürgerlichen entspannten ein wenig, wenn er ihnen zumindest die Illusion gesellschaftlicher Ebenbürtigkeit gab. Dass sie es richtigstellte, sagte viel über sie aus. Körperlich war sie jedenfalls mir ihm auf »Augenhöhe«, was ungewöhnlich war, erst recht bei einer Frau. Ihm gefiel ihr verhaltenes Lächeln und die wachen Augen hinter Brillengläsern.

»Bitte.« Er wies auf die Polstersessel, und sie ließen sich darauf nieder. Wahrscheinlich sollte er etwas Konversation betreiben, freundlich und verbindlich sein, aber ihm fehlte einfach die Geduld dazu. Stattdessen fragte er gerade heraus: »Habt Ihr es dabei? Kann ich es sehen?«

»Ja, natürlich.« Eine Tasche stand neben ihr, in der sie jetzt zu suchen begann, oh, viel zu lange. Was war das nur mit Frauen und ihren Taschen? Endlich zog sie ein Buch hervor. Während sie es ihm reichte, sagte sie feierlich: »Die Gedanken von Sun Tsu, oder – wie er hier genannt wird – Shin Fu.«

Ehrfürchtig nahm er das schmale Werk entgegen, strich über den Einband aus roter Seide, genoss noch einmal die Vorfreude, bevor er das Büchlein aufschlug. Auf der ersten Seite prangten in einer geschwungenen Handschrift die Worte: »Die Kunst des Krieges«.

Zuerst verwunderte es ihn, einen handschriftlichen Text zu sehen. Aber natürlich, dies war ein Unikat. Eine Übersetzung, speziell in seinem Auftrag gefertigt. Es gab keinen Grund, für ein einzelnes Exemplar die Druckerpressen zu bemühen. Die Schrift war sorgfältig und gut zu lesen – und eindeutig feminin. Er blickte hoch, betrachtete die Botin, die ihm dieses besondere Werk offenbar nicht nur gebracht, sondern es selbst erstellt hatte. Das machte ihn neugierig.

»Was veranlasst eine junge Frau, sich mit dem Krieg zu beschäftigen?«

»Nunja«, Frau Schnabel richtete ihre Brille, »Zum einen beinhaltet die ‚Kunst des Krieges‘ Taktiken und Listen, die nicht nur im Krieg hilfreich sind. In dem Land, aus dem es stammt, werden einige als sprichwörtliche Lebensweisheiten weitergegeben. Und dann …« Sie wurde ein wenig verlegen, »Es ist mein größter Traum, Beraterin Eurer Majestät zu werden, und da wollte ich mich entsprechend vorbereiten. Wenn es auch als Frau sehr unwahrscheinlich ist.«

Das erstaunte ihn. In der Geschichte des Reiches wäre sie nicht die erste weibliche Beraterin eines Würdenträgers, wenn auch im Allgemeinen die Position einer Konkubine damit einherging. Aber in Kriegsdingen? Plötzlich musste er schmunzeln. »Was würden die Leute wohl sagen, wenn Prinz Hasenfuß auch noch einen weiblichen Feldherren hätte? Ich hätte direkt Lust, das auszuprobieren.«

Auch sie lächelte jetzt. Dann wurde sie wieder ernst. »Aber warum wollte Eure Hoheit dieses Buch lesen?«

Er seufzte. »Mein Vater, mein Bruder, ihre Vasallen, sie alle kennen den Krieg aus eigener Erfahrung, und scheinen sich so einig. Ich wollte einfach mal eine andere Perspektive, und was ich von diesem Buch gehört habe, hat mich neugierig gemacht. Es gibt da ein Zitat, über Herrscher und Volk …«

Frau Schnabel lächelte wissend. »Führung bedeutet, dass das Volk mit dem Willen des Herrschers eins ist, und es für ihn sterben oder leben, und sich nicht gegen ihn stellen wird.«

»Genau das!« Er nickte begeistert. »Volk und Herrscher als Einheit. Wie anders ist das, als die Suche nach Ruhm und Ehre!«

»Aber wie wollt Ihr das garantieren, wenn Ihr einmal König seid?«

»Liegt das nicht auf der Hand? Damit der Wille des Volkes und des Herrschers eins werden kann, wessen Ziele müssen sich dann anpassen? Die des Volkes, oder die des Herrschers?«

Frau Schnabel lächelte wieder. »Die meisten Herrscher würden sagen: Die des Volkes.«

»Ja«, er lachte. »Mein Vater wäre sicher dieser Meinung: Lieber die Ziele von tausenden ändern, als die eines Einzelnen. Aber wenn der König tut, was dem Volk zugutekommt, dann wird das Volk auch hinter ihm stehen. Der Herrscher ist auch nur Teil des Ganzen, er hat seine Aufgabe darin, zum Wohle aller, nicht nur zum eigenen.«

»Manche nennen das blauäugig.«

»Ja.« Er sank in den Sessel zurück. »Manche tun das.« Insbesondere sein Vater. Und vielleicht war es tatsächlich blauäugig. Immerhin übten Könige ihre Macht seit Jahrhunderten mit Gewalt und harter Hand aus. Wer war er schon, das ändern zu wollen? Ein Träumer. Ein Zauderer.

Frau Schnabel räusperte sich. Offenbar wollte sie seine trübe Stimmung zerstreuen und wechselte das Thema. »In diesem Buch werden Spione als ein wichtiges Element genannt, um den Gegner zu überlisten. Würdet Ihr auch Spione einsetzen, oder verurteilt Ihr das, was Spione tun?«

Siluren war dankbar für diese Frage, die ihn von seinen Gefühlen zurück zu seinem Verstand führte. Er ließ sie sich durch den Kopf gehen. »Was spricht aus Eurer Sicht gegen Spione?«

»Nun, sie haben etwas Unehrliches.«

Er lächelte. »Also lieber ein ehrliches Schwert von vorne in den Bauch gerammt, als einen Hinterhalt mit Gefangennahme?«

»Ihr denkt also, der Zweck heiligt die Mittel?«

»Das kommt immer auf den Zweck und die Mittel an. Aber es ist eine Illusion zu denken, man könne durch dieses Leben gehen, ohne schuldig zu werden. Schon gar nicht als Herrscher.« Er strich sich über das Kinn. »Vielleicht ist das die Aufgabe eines Anführers: die bitteren Entscheidungen zu treffen, und so die Schuld auf sich zu nehmen.« Darin immerhin war sein Vater gut, und womöglich hatte ihn das so hart werden lassen.

»Und vielleicht«, sagte Frau Schnabel, »Ist es die Aufgabe eines Anführers, sich genau solche Gedanken zu machen. Ich denke Ihr seid auf einem guten Weg.«

Ein Diener beugte sich zu ihm nieder. »Der König bittet um Euer Erscheinen.«

Erstaunt sah Siluren ihn an. »Jetzt?« Das war ungewöhnlich, und nicht nur deshalb, weil Vater krank im Bett lag.

»Ich fürchte, ja, Eure Hoheit.«

»Gut.« Er gab dem Diener das Buch. »Leg das auf mein Bett.« Dann erhob er sich und streckte Frau Schnabel, die ebenfalls aufstand, die Hand hin. »Ich muss mich leider jetzt schon entschuldigen, auch wenn ich dieses Gespräch als sehr anregend empfunden habe. Ich denke Euch jedenfalls für diese besondere Gabe. Der vereinbarte Preis wird Euch zugehen. Der Diener geleitet Euch hinaus.«

Sie knickste noch einmal, und er verließ den Raum. Was nur mochte Vater von ihm wollen?

Kommentare

  1. Hallo und guten Tag,

    Danke für den heutigen Einblick in/um die Geschichte ..Welt der Schwerter...

    Siluren Einstellung gefällt mir....denn Krieg führen und nicht an das Wohl seiner Untertanen zu denken ist keine gutes Verhalten egal wo/in welcher Zeit auch immer.

    Frieden ist so wichtig!!

    LG..Karin..

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    1. Da stimme ich dir voll zu. Aber wie Frieden erreichen in einer "Welt der Schwerter"? Wie sagte Wilhelm Tell (bei Schiller): "Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt".

      Genau vor dem Problem stehen wir heute auch wieder - und Siluren auch (später im Buch). Was tun, wenn der Krieg nun schon einmal da ist? Was dient dem Wohl der Untertanen? Und welche Aufgabe hat ein Herrscher überhaupt? An einer Stelle sagt Siluren bitter: "Es gäbe so viel Wichtigeres als diesen verdammten Krieg." Aber Krieg drängt sich halt immer in den Vordergrund.

      Schau gerne auch in die anderen Beiträge der Blogtour, um auch andere Figuren aus der Welt der Schwerter kennenzulernen.

      Viele Grüße
      Esther

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