Durch die Leidenschaft lebt der Mensch, durch die Vernunft existiert er bloß

 Rezension

"Das Buch Ana" von Sue Monk Kidd

Die 14-jährige Ana lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Judas in einer wohlhabenden Gegend von Galiläa. Allerdings unterscheidet sie sich stark von anderen Mädchen in ihrem Alter. Statt ein Instrument oder kochen zu lernen, verbringt sie ihre Zeit lieber damit zu schreiben. Sie bittet sogar ihren Vater, ihr einen Hauslehrer zur Seite zu stellen, um noch mehr lernen zu können. Der Vater erfüllt ihr diesen Wunsch aber unter der Bedingung, dass sie mit dem Schreiben aufhört, wenn sie verheiratet ist. Ana geht darauf ein und kann fortan die Thora studieren und beginnt heimlich damit, die Geschichten der vergessenen Frauen der Heiligen Schrift aufzuschreiben. Sie ist glücklich. Bis auf den Tag, als ihr Vater ihr auf dem Markt ihren zukünftigen Mann vorstellt: Nathaniel ben Hananiah, ein alter ergrauter Witwer. Anas Welt zerbricht in tausend Scherben.

Nach dem Ende des Buches musste ich noch lange über die Geschichte nachdenken. Selbst jetzt fällt es mir schwer, geeignete Worte zu finden, um das Gelesene angemessen darzustellen. Die Geschichte hat mich auf eine Art berührt, die ich selten zuvor erlebt habe. Zwar kennt man das tragische Ende von Jesus von Nazareth und kann sich demnach vorstellen, wie das Buch enden wird, dennoch habe ich die Geschichte mit allen Höhen und Tiefen in mich aufgesogen und emotional mitgelitten.

Vor allem Ana hat einen besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen. Diese rebellische und wissbegierige junge Frau verfolgt ihre Bestimmung unnachgiebig und riskiert damit alles nur um Schreiben zu können. Damit ist sie weit ihrer Zeit voraus, denn Frauen dürfen eigentlich nicht studieren und lernen, denn sie dienen nur zum Erhalt der Familie. Ebenso gelten sie nach der Geburt oder während ihrer Monatsblutung als unrein und müssen sich von der Gesellschaft separieren. Auch dürfen sie nicht ohne männliche Begleitung das Haus verlassen und haben kaum wirkliche Rechte. Allein dieses Frauenbild hat mich schon unsagbar wütend und gleichzeitig traurig gemacht. Zwar weiß ich durchaus, dass dieses Frauenbild früher vorherrschend war und in manchen Teilen der Welt immer noch mehr oder weniger so praktiziert wird, allerdings hat es im Buch dazu geführt, dass ich Ana die Daumen noch fester gedrückt habe, dass sie ihre Träume auch tatsächlich verwirklichen kann. 

Ebenso hat mir das Verhältnis zwischen Ana und ihrer Tante Yaltha gefallen. Yaltha ist die Einzige, die Ana über die Jahre immer wieder unterstützt und in ihren Träumen bestärkt. So zerbricht sie z.B. extra für Ana einen Tonkrug, damit sie wieder schreiben kann, obwohl Tonkrüge ein fast unbezahlbares Gut sind. Yaltha wird im Laufe der Jahre zu einer wahren Mutter für Ana und hilft ihr durch schwere Zeiten. Gerade dieser starke Zusammenhalt der Frauen fand ich sehr schön zu lesen.

Generell finde ich das Konzept, ein Buch über die fiktive Frau von Jesus von Nazareth zu schreiben, sehr interessant. Natürlich ist die Geschichte reine Fiktion und basiert nicht auf Tatsachen, aber wer kennt schon die tatsächliche Wahrheit über Jesus? Ana ist ein spannender Gegenentwurf zu Jesus, denn sie sind beide auf gewisse Art und Weise gleich. Beide kämpfen sie für ihre Überzeugungen, sind rebellisch und geben ihre Träume nicht auf. Zudem sind sie beide Außenseiter und müssen am Rande der damaligen Gesellschaft leben mit all ihren Konsequenzen. Sie fallen auf, denn sie denken anders und sind damit weit ihrer Zeit voraus. Vielleicht ist Jesus auch an manchen Stellen zu modern, denn er reagiert z.B. bei Themen wie Verhütung verständnisvoll und akzeptiert den Entschluss seiner Frau. Dies hat mich leider kurzzeitig aus der Immersion herausgerissen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Mann der damaligen Zeit so reagiert. Auch wenn es Jesus ist.

Zudem haben sich leider zum Ende des Buches hin einige Längen eingeschlichen. Vor allem hätte ich mir einen anderen Verlauf der Dinge gewünscht und fand die „Wartezeit“, um auf das unausweichliche Ende hinzulesen, unerträglich. Allerdings sind dies nur Kleinigkeiten, die mir wahrscheinlich in ihrer Intensität nur deswegen aufgefallen sind, da mich das Buch so für sich eingenommen hat.

Demnach kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine berührende und intensive Geschichte über eine Frau lesen möchte, die gegen die Grundpfeiler der damaligen Gesellschaft rebelliert, um ihre Träume zu verwirklichen. 

 

Vielen lieben Dank an das Bloggerportal der Penguin Random House Verlagsgruppe für das Bereitstellen des Rezensionsexemplares! 😊💗

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