Man reist nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.

 Rezension 

"Die unendliche Reise der Aubry Tourvel" 

von Douglas Westerbeke

 

Aubry Tourvel ist die starrköpfigste und stolzeste Tochter der Tourvels und sieht demnach auch nicht ein, ihren geliebten Rätselball in einen Wunschbrunnen zu werfen, als ihre Schwestern sie darum bitten. Einen Tag später wird sie von einer rätselhaften Krankheit befallen, deren Symptome erst wieder abklingen, wenn sie in Bewegung bleibt und an keinem Ort länger als ein paar Tage bleibt. Fortan ist Aubry eine Getriebene, die die Welt zwar bereisen kann, doch was bleibt ihr am Ende davon?

Generell muss ich sagen, dass ich ein völlig anderes Buch erwartet habe. Als ich gelesen habe, dass es sich um einen Abenteuerroman handelt und Aubry sich auf die Suche nach einem Heilmittel macht, dachte ich, es ist eine Art „Indiana Jones“ mit versteckten Tempeln und uralten Rätseln. Gelesen habe ich ein sehr melancholisches Buch über eine Frau, die nicht wirklich leben kann, weil sie dauernd auf der Flucht vor ihrer Krankheit ist. Dadurch hat mich das Buch eher an „Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ erinnert.

Allerdings gibt es hier kein überirdisches Wesen, das einen Pakt mit Aubry schließt und sie deswegen in diese Situation gerät. Außer man sieht den Wunschbrunnen als eine Art überirdische Existenz, die Aubry ein Leid zugefügt hat, da sie ihren Rätselball nicht hergeben wollte, um jemand anderes zu retten.

Über weite Teile habe ich auch nicht verstanden, was es mit dieser rätselhaften Krankheit auf sich hat. Zunächst dachte ich, dass es sich vielleicht um eine Art Trauma handelt, bei dem Menschen auch nicht mehr an gewisse Orte gehen können, ohne dass sie körperliche Schmerzen erleiden in Form von Schwindel oder Unwohlsein. Allerdings überfällt die Krankheit Aubry immer so stark, dass sie einen gewaltigen Blutverlust erleidet. Manchmal kamen mir diese Reaktionen etwas zu krass vor, aber wahrscheinlich hätte Aubry anders keinen Drang, sich auch wirklich weiterzubewegen.

Darüber hinaus fand ich es spannend, dass Aubry in den Jahren lernt, mit ihrer Krankheit umzugehen und die Grenzen auslotet, was sie noch machen kann und was eher nicht. So versucht sie sich auch z. B. in eine Art Dämmerzustand zu begeben, um länger an einem Ort zu bleiben.

Manchmal dachte ich mir auch während des Lesens, dass man die Krankheit von Aubry auch als derzeit bestehendes Phänomen verstehen kann, dass die Menschen getrieben sind, dauernd in fremde Länder zu reisen und noch krassere Dinge zu erleben, weil sie das Gefühl haben, sonst etwas zu verpassen oder als langweilig zu gelten.

Alles in allem fand ich es schon interessant, das Buch zu lesen, wenn ich mir auch eine völlig andere Geschichte nach dem Lesen des Klappentextes vorgestellt habe. Ich kann jedem dieses Buch empfehlen, der nach „Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ ein weiteres melancholisches Buch zum Nachdenken sucht.

Vielen lieben Dank an den HarperCollins Verlag für das Rezensionsexemplar! 💖


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