Einsamkeit und das Gefühl unerwünscht zu sein, ist die schlimmste Armut.

 Rezension 

"Der Glanz verlorener Zeiten" 

von Karen Elste

Alice tut sich schwer, in der Londoner Gesellschaft einen geeigneten Heiratskandidaten zu finden, denn ihr Herz gehört Richard Wolsey. Doch da beide aus eher ärmeren Häusern stammen, entschließt sich Richard lieber jemandem mit mehr Geld zu heiraten. Ihre Mutter ist schon gänzlich verzweifelt, denn es ist Alice dritte Saison und noch immer will sie niemand heiraten. Dies ändert sich jedoch, als der schweigsame Aubrey auftaucht und um ihre Hand anhält. Zunächst ist sie skeptisch, welchen Plan dieser aus dem Ausland stammende Mann verfolgt, doch er eröffnet ihr ein Leben voller Möglichkeiten, das sie sich nie hätte erträumen können.

Der Druck, den die damalige Gesellschaft auf junge Mädchen ausgeübt hat, ist wohlbekannt. Ähnlich einem Wettbewerb ging es nur darum, besonders schön zu sein und sich damit einen reichen Ehemann zu angeln, um gesellschaftlich aufzusteigen. Entschließt man sich wie Alice bei diesem Spiel nicht mitzumachen oder eher aus Liebe zu heiraten, befindet man sich sehr schnell außerhalb der Gesellschaft. Aus diesem Grund konnte ich den inneren Zwiespalt von Alice sehr gut nachvollziehen, denn auch wenn man gegen dieses gesellschaftliche Spiel ist, so hat es dennoch weitreichende Konsequenzen, die man vielleicht nicht unbedingt durchleben möchte. So scheint es wie eine glückliche Fügung zu sein, dass der schweigsame Aubrey um ihre Hand anhält.

Doch ihr Leben mit Aubrey entspricht auch nicht wirklich den damaligen gesellschaftlichen Konventionen. Statt das Ehebett mit ihr zu teilen, bietet er sie anderen Männern an, mit denen sie sich dann vergnügt. Dieses Verhalten wirkte schon sehr befremdlich auf mich, aber gleichzeitig entfachte es mein Interesse zu wissen, warum Aubrey sie scheinbar körperlich nicht anziehend findet und nur darauf achtet, dass ihr sexuelles Verlangen gestillt ist.

Auch generell gibt das Verhalten von Aubrey im Laufe der Geschichte einige Rätsel auf. Immer wieder reist er zwischen Paris – London – Amerika und Deutschland hin und her und meldet sich bei seiner Frau nur sehr sporadisch. Manchmal vergehen Monate, in denen Alice nichts von ihrem Mann hört. Selbst die Gespräche zwischen den beiden, wenn er mal zu Hause ist, gehen über Oberflächlichkeiten nicht hinaus. Es scheint so, dass Aubrey sie nur geheiratet hat, damit die Gesellschaft ihn in dem Punkt in Ruhe lässt und er weiter seinen Tätigkeiten nachgehen kann.

Zwar bietet er Alice viele Freiheiten darin, dass sie als Schriftstellerin arbeiten kann und in der Wahl ihrer Liebhaber vollkommen frei ist, aber es ist auch ein einsames Leben, denn obwohl Aubrey nie da ist, verliebt sich Alice in ihn. Allerdings hatte ich fast den Eindruck, dass Alice dies nur macht, um sich selbst zu Geiseln, denn er macht immer wieder deutlich, dass er sie nicht liebt. Es wirkt an manchen Stellen fast dramatisch, wie verzweifelt Alice um Aubreys Aufmerksamkeit buhlt und sie doch nicht bekommt.

Zudem muss Alice einige schwere Vorkommnisse im Laufe der Geschichte durchleben und bleibt auch vor der Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht verschont. Ich kann jedem dieses Buch empfehlen, der eine andere Sicht auf die damalige Gesellschaft haben und sehen möchte, wie ein alternatives Leben dazu hätte aussehen können. 

 

Vielen lieben Dank an dp-Digital Publishers für das Rezensionsexemplar!  💗

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