Wo viele Schatten sind, da ist auch Licht.

 Rezension 

"Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit"

 von Natasha Pulley 

Joe Tournier befindet sich am Bahnhof Gare du Roi in Londres und hat keinerlei Erinnerung daran, wie er dort hingekommen ist noch, wer er eigentlich ist. Auch nach einem Aufenthalt in einer Heilanstalt kommen seine Erinnerungen nicht wieder. Ein Monsieur namens Saint-Marie behauptet zwar, dass er seit seiner Kindheit als Leibeigener in seinen Diensten stand und eine Frau hat, aber auch diese Geschichte kommt ihm nur wenig vertraut vor. Doch er fügt sich in dieses Schicksal mit dem ständigen Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Als dann ein Brief aus der Vergangenheit auftaucht, ist die Zeit für ihn gekommen, endlich etwas zu unternehmen.

Dieses Buch erzählt eine sehr gefühlvolle Geschichte eines Mannes, der vergessen hat, wer er ist. Ich mochte diese Art von Erzählung, da sie zuweilen surreal, ja fast träumerisch wirkt. Man wird über dem Lesen in eine alternative Realität entführt, in der Frankreich in der Schlacht von Trafalgar über die britischen Streitkräfte obsiegt und in der Folge Großbritannien besetzt hat. Aus „London“ wird „Londres“ und aus „King's Cross Railway Station“ wird “Gare du Roi”. Es ist verboten, Englisch zu sprechen und sogar die Tageszeitung erscheint in einfachem Französisch mit Bildern, damit die Bevölkerung sich an diesen Umstand gewöhnen kann. Nur Schottland konnte sich der Okkupation durch Frankreich entziehen und kämpft erbittert gegen ihren Feind im Süden.

Ich fand dieses Gedankenspiel ziemlich interessant, da es mal wieder zeigt, welche Auswirkungen bestimmte Ereignisse auf den Fortlauf der Geschichte haben können. Schnell wird im Laufe der Geschichte klar, dass eine Manipulation der Zeitlinie stattgefunden hat und Joe Tournier nicht ganz so unschuldig an diesem Umstand ist. Eines Tages erreicht ihn eine Postkarte, die den Leuchtturm Eilean Mòr in Schottland zeigt und obwohl er dieses Bild zum ersten Mal sieht, kommt ihm etwas vertraut an diesem Bild vor. Er macht sich natürlich auf die Reise zu diesem Leuchtturm, um dem Geheimnis seiner verlorenen Erinnerungen auf die Spur zu kommen.

Gerade diese Suche nach seinen verlorenen Erinnerungen fand ich spannend und ziemlich gut aufgebaut. Denn am Anfang begleitet man Joe in eine frühere Zeit, in der die Postkarte losgeschickt worden ist. Manchmal war ich etwas verwirrt, wenn es zu einem Wechsel in der Zeitebene gekommen ist, aber die Geschichte erklärt an den genau richtigen Stellen die Gesetze der Zeitreise. So wechselt das Buch immer wieder in die Zeit zu einem früheren Joe und dem jetzigen Joe, der aber in die damalige Zeit gereist ist. Man muss wirklich genau lesen, um alle Aspekte dieses Buchs genau zu verstehen, aber da ich unbedingt wissen wollte, wer Joe früher war, hat es mir keine Probleme bereitet, konzentriert zu bleiben.

Darüber hinaus war ich gerade zum Ende hin regelrecht von diesem Buch berührt. Denn die Auflösung, wer Joe ist, war einfach sehr schön und ich habe Joe fest die Daumen gedrückt, dass er mit seiner großen Liebe noch glücklich werden kann (egal in welcher Zeitlinie). Zwar war Joe als Charakter nicht so mein Fall, da er sich an manchen Stellen etwas hängen gelassen und sein Schicksal nur allzu schnell akzeptiert hat. Dies bessert sich aber im Laufe der Geschichte und er steht für sich ein.

Ich bin wieder einmal von einem Buch von Natascha Pulley regelrecht angetan und kann es nur jedem empfehlen, der eine gefühlvolle Reise eines Mannes lesen möchte, der erst nach und nach herausfindet, was wirklich wichtig im Leben ist.

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