Manches Geheimnis sollte am besten nie aufgedeckt werden..

 Rezension 

"Das verschlossene Zimmer"

 von Rachel Givney

 

Die junge Marie lebt mit ihrem Vater in Krakau im Jahre 1939. Obwohl ein Krieg mit Deutschland droht, hat Marie doch gänzlich andere Sorgen. Sie würde gerne wissen, wer ihre Mutter ist und warum sie die Familie verlassen hat. Doch ihr Vater lässt sie im Ungewissen und möchte nicht darüber sprechen. Als Marie es eines Tages nicht mehr aushält, bricht sie in das verschlossene Zimmer ihres Vaters ein, um endlich Antworten auf ihre drängende Fragen zu erhalten.

Als ich das erste Mal den Klappentext gelesen habe, hatte ich eine gänzlich andere Vorstellung von dem, was mich dann in diesem Buch erwartet hat. Ich dachte, es handelt sich um einen Ermittlungsroman, der davon erzählt, wie Marie nach und nach ein uraltes Geheimnis aufdeckt. Dies mag im Kern schon stimmen und am Anfang ist es auch spannend, als Marie in das Zimmer ihres Vaters einbricht und dort ein Holzkästchen mit rätselhaftem Inhalt findet, doch ab dann bis fast zum Ende des Buches rückt dieses Geheimnis in Vergessenheit und im Vordergrund steht Maries Weg, wie sie zu einer erwachsenen Frau heranwächst.

Zwar ist es durchaus interessant, Marie dabei zu begleiten, wie sie lernt, eigene Entscheidungen für sich zu treffen und aus dem wohlbehüteten Umfeld ihres Vaters langsam lernt herauszutreten, aber es ist eben nicht das, was ich erwartet habe und ist an manchen Stellen sogar auch etwas langatmig. So soll Marie auf Wunsch ihres Vaters einen Mann finden, damit sie auch weiterhin versorgt ist. Allerdings möchte sie lieber so wie ihr Vater Medizin studieren und Ärztin werden, doch dies trifft nicht nur bei ihrem Vater auf taube Ohren. Noch nicht mal das Zulassungsbüro an der Universität von Krakau gibt ihr die Möglichkeit, sich an der Universität einzuschreiben.

Damit wird ein altbekanntes Problem der damaligen Zeit aufgeworfen und mit den damals gebräuchlichen Worthülsen versehen wie z.B. „die Frau ist nicht dafür geeignet zu studieren, da ihre geistigen Fähigkeiten nicht dafür ausgelegt sind“ usw. Mich macht diese damalige Sicht auf die Frau sehr wütend, da es hinlänglich falsche Unterstellungen sind, die nur dadurch Nährboden gefunden haben, da die wichtigen Entscheidungspositionen in Männerhand gelegen haben. In diesem Punkt tat mir Marie leid, denn der Mitarbeiter der Zulassungsstelle zur Universität spielt einfach nur mit ihr und nimmt sie nicht ernst, nur weil sie eine Frau ist.

Allerdings gibt es andere Bereiche in Maries Leben, die ich im Hinblick auf die Zeit nicht gänzlich nachvollziehen kann. Aus Liebe zu einem Mann konvertiert sie zum Judentum, obwohl sie täglich sieht, wie die Juden in Krakau behandelt werden. Es ist zwar schön, dass sie dieses „Opfer“ für den Mann auf sich nimmt, den sie liebt, aber etwas blauäugig ist Marie in der Hinsicht schon. Ab dem Zeitpunkt, in dem sie konvertiert, ändert sich auch die Art und Weise, wie sie von ihrem Umfeld wahrgenommen wird, sodass man sich fragt, ob das wirklich notwendig gewesen war. Man hätte doch auch auf eine andere Art zusammen sein können, ohne dass jemand gezwungen ist, seine Religion aufzugeben. Jedoch darf man auch nicht vergessen, dass Marie auch erst 17 Jahre ist und viele ihrer Entscheidungen meist aus Trotz und Aufbegehren gegenüber ihrem Vater, der ihr nichts über ihre Mutter mitteilt, zustande kommen.

Das Ende empfand ich als wirklich großartig, sodass mir das Buch schon gut gefallen hat, jedoch hatte ich mir einfach etwas anderes unter diesem Buch vorgestellt. Aus diesem Grund kann ich jedem das Buch empfehlen, der eine Frau dabei begleiten will, wie sie nach und nach ihre Identität aufdeckt und dabei lernt ihre eigenen Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. 

 

Vielen lieben Dank an Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar! 💗

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