Leb nach deinen Werten, dann bist du frei!

 Rezension 

"Nachts erzähle ich dir alles"

 von Anika Landsteiner 

 

Léa reist zu ihrem alten Familienanwesen nach Saint Martin (Côte d'Azur), da sie Abstand von ihrem bisherigen Leben braucht. Ihre Mutter Brigitte rät ihr dazu, ohne zu wissen, dass sie damit alte Wunden bei Léa aufreißt, die sie tief in sich verborgen hat. In Saint Martin angekommen, macht sie Bekanntschaft mit einer jungen Frau, die einen Tag später tot aufgefunden wird. Léa versteht nicht, wie das passieren konnte, sodass sie sich auf die Suche nach Antworten begibt und damit gleichzeitig mehr über sich selbst herausfindet.

Durch Zufall habe ich die Autorin auf der Frankfurter Buchmesse getroffen und ich bin sehr froh, dass ich dadurch auf ihr Buch aufmerksam wurde, denn dieses Buch ist sehr intensiv. Zu Beginn dachte ich noch, dass es sich wieder um eine dieser Geschichten handelt, in der eine Frau auf der Suche nach sich selbst ist und deswegen eine Reise zu ihrem Ursprung macht, was mittlerweile in sehr vielen Bücher als thematischer Ausgangspunkt genutzt wird. Als ich jedoch immer tiefer in die Geschichte eingetaucht bin, merkte ich schnell, dass sich darunter eine Geschichte verbirgt, mit einem sehr ernsten Thema.

Denn ein zentrales Thema dieses Buch ist der Umgang mit einer ungewollten Schwangerschaft und wie viel Selbstbestimmung man über seinen Körper hat, wenn man die Schwangerschaft nicht möchte. Obwohl sich die gesetzliche Lage ein wenig gebessert hat und es die Möglichkeit gibt in einem frühen Schwangerschaftsstadium einen Abbruch durchzuführen, wird das Thema gesellschaftlich immer noch sehr negativ behandelt und Frauen in einer ernsten Lage nicht geholfen.

Dieses Problem wird in diesem Buch sehr gut dargestellt, als ein junges Mädchen plötzlich schwanger wird und aus Panik eine Hotline anruft, die von sich selbst behauptet, eine Beratung für Schwangerschaftsabbrüche zu sein, aber in Wirklichkeit den Frauen nur ein schlechtes Gewissen einredet. Sie zeigen den Hilfesuchenden Videos von fehlgegangen Schwangerschaftsabbrüchen oder erklären mit falschen Fakten, dass eine Abtreibung Mord ist.

Da es so ein sensibles Thema ist, fand ich die Geschichte sehr intensiv und ich war gespannt darauf zu erfahren, wie Léa nach und nach Antworten findet, warum diese junge Frau so plötzlich gestorben ist. Dabei hinterfragt Léa auch ihre eigene Kindheit, da ihre Mutter sie allein großgezogen hat und vielleicht damals vor einem ähnlichen Problem gestanden hat.

Egal ob man eine Meinung zu diesem Thema hat oder sehr stark zu einem der beiden Lager tendiert, dieses Buch lohnt sich zu lesen, denn es zeigt wieder einmal sehr deutlich, was passiert, wenn man Menschen nicht richtig zuhört und sie in einer Phase der Verunsicherung allein lässt, obwohl es so viele Möglichkeiten der Hilfe gibt.

Ich kann diesem Buch jedem empfehlen, der eine intensive Geschichte über eine Frau lesen möchte, die sich auf die Suche nach Antworten begibt, warum eine junge Frau ihr Leben lassen musste.

 

Vielen lieben Dank an den S.Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar! 💗

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