Jeder Riss erzählt eine Geschichte. Und es gibt viele Geschichten hier.

 Rezension 

"Die Unbehausten" 

von Barbara Kingsolver 

Das Leben von Willa Knox scheint sich in einer Abwärtsspirale zu befinden. Ein Sachverständiger, der sich die Schäden an ihrem Haus ansieht, rät ihr, das Haus besser abzureißen, als es noch zu reparieren, aber das kann sich Willas Familie nicht leisten. Willa steht schon seit einiger Zeit als freie Journalistin ohne Aufträge da und ihr Mann Iano hat erst kürzlich seinen Job verloren. Zudem pflegen sie zusammen Ianos schwerkranken Vater und ein Kleinkind, da ihr Sohn Zeke keine Zeit mehr für seinen eigenen Sohn hat. Als Willa jedoch erfährt, dass eine historische Persönlichkeit in ihrem Haus gelebt haben soll, schöpft sie Hoffnung, ihr Haus doch noch retten zu können.  

Ich mag Geschichten, die auf verschiedenen Zeitebenen spielen und bei denen man nach einer Weile merkt, dass die Geschichten über die Jahrhunderte miteinander verwoben sind. Bei diesem Buch konnte ich mir zunächst nicht wirklich vorstellen, wie sie miteinander zusammenhängen könnten.

Denn auf der einen Seite steht Willa, die mit ihrer Familie in unserer Zeit einen Schicksalsschlag nach dem anderen durchleben muss, und auf der anderen Seite steht Thatcher, der mit seiner Frau Rose viele Jahre zuvor in ein neues Haus eingezogen ist. Zwar liegt nun der Verdacht nahe, dass die beiden unterschiedlichen Familien durch dieses Haus miteinander verbunden sind, und am Anfang mag das vielleicht auch noch so stimmen, aber je weiter Willa mit ihren Nachforschungen zu diesem Haus kommt, desto mehr entwickelt sich die Geschichte in eine andere Richtung.

So entfaltet sich jede Geschichte auf ihre Art und man hat fast das Gefühl, dass es sich um zwei separate Geschichten handelt. In Willas Teil der Geschichte erfährt man, wie sie die Herausforderungen des Alltags bewältigt und z. B. ihren uneinsichtigen, nörglerischen Schwiegervater zum Arzt bringt oder ihre Kinder wieder versucht zu versöhnen. Dabei fand ich Willas Tochter Antigone am besten, denn sie zeigt ihrer Mutter, wie sie unaufgeregt jedes Problem angehen kann, und kümmert sich später fast allein um den Großvater und das Baby.

In Thatchers Teil der Geschichte geht es um Mary Treat, eine Biologin des 19. Jahrhunderts, die eine Korrespondenz mit Charles Darwin unterhalten hat und sich für keinen Feldversuch zu schade ist, auch wenn es heißt, auf Knien im Garten zu robben. Sie imponiert Thatcher, der sich als Lehrer sichtlich unwohl fühlt, die religiösen Ansichten der Kirche in seinem naturwissenschaftlichen Unterricht zu vertreten. Ich fand es spannend, zu lesen, wie sich Thatcher gegen das damals vorherrschende religiöse Weltbild mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wehr setzt, auch wenn ihm droht, dadurch alles in seinem Leben zu verlieren.  

Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen und ich kann jedem das Buch empfehlen, der eine Geschichte über ein baufälliges Haus lesen möchte, das seine Bewohner über die Jahrhunderte auf ihrem Weg begleitet.

Vielen lieben Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar! 💖 

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