Vertrauen zu gewinnen dauert Jahre, es zu verlieren Sekunden.

 Rezension 

"Das Lichtenstein - Modehaus der Illusionen"

 von Marlene Averbeck 

 

Obwohl das Lichtenstein im letzten Band erbittert, dafür gekämpft hat, dass sie nicht den Auftrag der NSDAP annehmen und Kleidung für Soldaten herstellen, ist diese Partei nun 5 Jahre später die zweitstärkste Kraft im Land und stellt den Arbeitsalltag im Lichtenstein gehörig auf den Kopf. Die Belegschaft spaltet sich durch die Wahnvorstellungen dieser Partei, eine „arische Rasse“ heranzuziehen, in zwei Lager auf: die Judenfreunde und deren Feinde. Bald schon werden die Proteste immer lauter und Menschen jüdischer Abstammung müssen um ihr Leben fürchten. Wie soll das Lichtenstein diese Zeit nur überstehen, ohne seine Identität aufzugeben?

Jedes Mal, wenn ich ein Buch lese, das von der Zeit des Nationalsozialismus handelt, bin ich immer wieder fassungslos. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie Menschen mit einem gesunden Menschenverstand wirklich gedacht haben können, dass Menschen jüdischer Abstammung nichts Wert sind und es verdient haben, dass man ihnen von dem einen auf den anderen Tag ihre gesamte Existenz wegnimmt. Bei dieser Kaltherzigkeit und Brutalität der Menschen, die plötzlich ihre Nachbarn bespitzeln und nur noch in Juden und Nicht-Juden denken, wird mir einfach nur schlecht. Natürlich war es keine einfache Zeit mit vielen Arbeitslosen und Armut, da ist es eben einfacher, die Schuld bei jemand anderem zu suchen als bei sich selbst.

Wie gut, dass wenigstens Hedi, Thea und Ella gegen diese Ungerechtigkeit vorgehen und so gut es geht, versuchen die jüdischen Mitarbeiter des Lichtensteins zu schützen. Gerade für Thea ist es besonders schwer, denn sie erfährt, dass ihr eigener Sohn unter dem Verdacht steht, ein Vierteljude zu sein. Zwar werden Vierteljuden nicht ganz so unmenschlich behandelt wie Halbjuden und Juden, aber es ist ein Risiko für ihre Familie. Auch die Familie Lichtenstein selbst wird von ihrer Konkurrenz denunziert, eine jüdische Familie zu sein und damit beginnt der Kampf um die Erhaltung des Lichtensteins, denn Juden dürfen ab einer gewissen Zeit auch keine Geschäfte mehr führen.

Mir fiel es irgendwann richtig schwer weiterzulesen, denn ich habe Hedi, Thea, Ella und die anderen Mitarbeiter des Lichtensteins im Laufe der letzten beiden Bücher lieb gewonnen und so konnte ich es fast nicht aushalten zu lesen, wie meine Lieblinge von einem politischen Regime mehr oder weniger fertig gemacht werden. Zudem wird dadurch nicht nur das Ende des Traditionshauses Lichtenstein eingeläutet, sondern auch das Ende der Modemetropole Berlin. Die „Arisierung“ zerstört alles, was fleißige Konfektionäre wie Hannes über die Jahre aufgebaut haben und mir als Modeliebhaberin blutet das Herz, wenn ich daran denke, welche Möglichkeiten uns dadurch verloren gegangen sind.

Ich verurteile jeden, der auch nur ansatzweise diesem Regime geholfen hat, an die Macht zu kommen. Es ist unentschuldbar, selbst wenn man es als einzigen Weg gesehen hat, in dieser Welt weiterzuleben. Ich bin sehr froh, dass sich Hedi, Thea und Ella dagegen gewehrt haben und am Ende vielleicht auch die Gewinner dieser traurigen Geschichte sind.

Aus diesem Grund kann ich nur jedem diese Buch-Reihe ans Herz legen, denn sie lässt eine Mode-Ära wieder aufleben, die viel zu lange verloren geglaubt war. Einfach eine großartige Reihe! 

Vielen lieben Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar! 💗

 

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