Vor der Wahrheit kann niemand fliehen.

 Rezension 

"Staatenlos in Shanghai"  

von Liliane Willens

 

Liliane Willens muss als Tochter jüdisch-russischer Eltern aus Russland und der Ukraine nach Shanghai fliehen. Dort baut sich ihre Familie ein Leben in der ehemaligen französischen Konzession auf und Liliane lernt neben der chinesischen Kultur auch die französische Kultur kennen. Obwohl Shanghai eine Stadt ist, die ein internationales Potpourri an Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern bietet, werden die Hierarchien zwischen den einzelnen Ethnien streng eingehalten und Liliane fühlt sich ihr ganzes Leben eher wie die Beobachterin einer Stadt, die sich im Laufe der Zeit den unterschiedlichsten Einflüssen beugen muss.

Nachdem ich auf der Frankfurter Buchmesse die Möglichkeit hatte, bei einer Lesung der Übersetzerin dabei zu sein und ich diesen ersten Einblick schon interessant fand, wollte ich unbedingt wissen, was Liliane in ihrer Zeit in Shanghai noch erlebt hat. Da ich mein ganzes Leben im Geschichtsunterricht immer nur die Perspektive der europäischen Seite auf den Zweiten Weltkrieg präsentiert bekommen habe, fand ich es interessant, nun auch die Perspektive der asiatischen Seite in Form von Lilianes persönlichen Eindrücken und Erinnerungen zu erfahren.

Denn mir persönlich war nie bewusst gewesen, dass die japanischen Soldaten Shanghai besetzt haben und ihre Propaganda verbreitet haben. Natürlich wusste ich, dass es eine Verbindung zwischen Deutschland, Italien und Japan gab, aber irgendwie war im Geschichtsunterricht nie die Zeit auch mal mehr über die japanische Geschichte zu erfahren. Dadurch entwickelte ich im Laufe des Buchs eine andere Perspektive auf die Geschehnisse und ich wollte unbedingt mehr darüber erfahren.

Zwar sind die Eindrücke, die Liliane in diesem Buch schildert, alle sehr subjektiv und können sich davon unterscheiden, was andere Menschen zu dieser Zeit erlebt und empfunden haben, aber dennoch fand ich es spannend, in diese mir fremde Zeit einzutauchen. Manche Vorkommnisse wie z.B. die Einsperrung der Juden in bestimmte Distrikte unterscheidet sich gar nicht so großartig davon, wie Juden in Europa behandelt worden sind, was mich unweigerlich zu der Frage geführt hat, wer überhaupt auf diese bescheuerte Idee kam, diese Menschen so zu behandeln, aber gleichzeitig schafft es auch irgendwie eine Brücke, die zeigt, dass wir doch nicht so unterschiedlich sind. Zumindest, wenn es darum geht, andere Menschen zu quälen.

Ich fand es interessant so nach und nach den Zweiten Weltkrieg unter japanischer Besatzung, den chinesischen Bürgerkrieg und schließlich die Gründung der Volksrepublik China aus den Augen von Liliane Willens zu erkunden und kann jedem dieses Buch ans Herz legen, der mehr über diese Zeit in China erfahren möchte. 

Vielen lieben Dank an den Drachenhausverlag für das Rezensionsexemplar! 💗

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