Taiwans Geschichte ist von Konflikten und Fremdbestimmung geprägt.

 Rezension 

"Tsai Kun-lin – der Junge, der gerne las" (Band 1) 

von Pei-yun Yu (Autor) und Jian-xin Zhou (Illustrator)

Tsai Kun-Lin wächst in einem Taiwan auf, das seit 35 Jahren eine japanische Kolonie ist. Er lernt schon in der Grundschule Japanisch und redet nur mit seiner Familie Taiwanisch. Ihm kommt es nicht seltsam vor, dass seine Eltern und Geschwister einen taiwanischen und japanischen Namen haben, da er es nicht anders kennengelernt hat. Eine Umstellung kommt für ihn erst, als Japan im Jahr 1945 kapituliert und chinesische Truppen in Taiwan einmarschieren. Nun ist fortan Hochchinesisch die Amtssprache und Kun-Lin muss eine weitere Sprache lernen.

Schon das Vorwort löste eine regelrechte Gänsehaut bei mir aus, weil ich mir kaum vorstellen kann, wie es ist, in einem Land zu leben, das ständig „von oben herab“ gesagt bekommt, welcher nationalen Identität es entsprechen soll. Taiwan wirkt wie ein Spielball der Mächtigen, obwohl sie doch ihre eigene Identität, Kultur und vor allem Sprache haben. Traurigerweise ist das jedoch leider das Schicksal jeder Kolonie ab einem gewissen Punkt.

Ich fand es gut, dass die Geschichte aus dem Blickwinkel eines Kindes geschrieben ist, das erst in diese Zustände hineingeboren wird und keine tiefergehende Meinung zu den Geschehnissen hat. Kun-Lin lernt einfach die japanische Sprache in der Schule und spricht eben nur Taiwanisch mit seiner Familie. Für ihn ist es eben so.

Darüber hinaus lernt man anhand seiner Lebensgeschichte, die sich in diesem ersten Band bis zu seiner Zeit im zweiten Jahr der Oberstufe erstreckt, wie sich das Land Taiwan in den Jahren verändert. Geschichtliche Ereignisse wie die Laternenmärsche der Kaiserlichen Armee oder die Rückeroberung Taiwans durch China, werden so mit dem Heranwachsen von Kun-Lin verwoben.

Ich fand diesen Ansatz sehr interessant, da so die Ereignisse auch durch Kun-Lin bewertet und in den Verlauf der Geschichte eingebettet werden. Auch weil ich so mehr über die Geschichte Japans, Taiwans und China gelernt habe. Ein Kapitel, das in meiner Schulzeit im Geschichtsunterricht nie angesprochen worden ist.

Ebenso hat mir auch der minimalistische Zeichenstil der Graphic Novel gefallen. Neben den Schwarz-Weiß-Zeichnungen wird auch sehr oft Rosa verwendet, was dem Ganzen in diesem ersten Band eine unschuldige Note verleiht.

Ich bin sehr gespannt, wie die Geschichte von Tsai Kun-Lin weitergehen wird, und kann jedem diese Graphic Novel empfehlen, der mehr über Taiwan als japanische Kolonie erfahren möchte.

 

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