Zunächst scheint alles unmöglich, bis man es einfach getan hat.

 Rezension 

"She who became the sun" 

von Shelley Parker-Chan

Die Familie Zhu lebt in Armut in einer kleinen Hütte im Dorf Zhongli. Durch die anhaltende Trockenheit, an der nach Ansicht des Volkes nur der Kaiser Schuld daran hat, können die Bauern kaum etwas ernten und verhungern nach und nach. Als dann eines Tages Banditen das Dorf heimsuchen, um ihnen auch die letzten kläglichen Besitztümer wegzunehmen, wird der Familienvater der Familie Zhu getötet und die Kinder sind sich nun selbst überlassen. Infolgedessen stirbt auch der Sohn der Familie Chongba, da er sich nicht selbst ernähren kann. Einzig allein die Tochter der Familie Zhu überlebt und nimmt sich fest vor, dass sie diesem Elend entkommen will.

Sobald das Mädchen, das keinen Namen zu haben scheint, die Existenz ihres Bruders annimmt, dem ein großes Schicksal vorherbestimmt ist, hat mich das Buch an die Geschichte von „Mulan“ erinnert. Auch Mulan gibt vor, ein Junge zu sein, um in der Armee kämpfen zu können und ihr Land zu befreien. Das Mädchen in „She who became the sun“ flieht als Erstes in ein nächstgelegenes Kloster, um nicht vor Hunger zu sterben und schafft auch nur aufgenommen zu werden, weil sie 3 Tage vor dem Eingang des Klosters kniet und um Einlass bittet.

Es ist eine Geschichte der Entbehrungen innerhalb der Yuan-Dynastie (1271–1368), in der das Kaiserreich China von mongolischen Eroberern regiert wurde. Frauen haben wie immer keine herausragende Rolle in den Geschicken der Welt und sind meist nur hübsches Beiwerk, die aber keine Stimme haben. Dadurch fand ich es sehr beeindruckend, dass das Mädchen den Platz ihres Bruders einnimmt und auch dessen Schicksal übernehmen möchte.

In mehreren Zeitabschnitten wird so die Geschichte des Mädchens erzählt, wie sie sich langsam, aber stetig einen Platz in der Welt ebnet. Zuerst als Mönch, dann später als Kriegsberater um ihrem Endziel Kaiserin zu werden, immer näherzukommen. Dabei beweist sie Fingerspitzengefühl in Gesprächen mit hochrangigen Personen und entledigt sich auch Menschen, die um ihr Geheimnis wissen mit klugen Schachzügen. Sie scheint die geborene Taktikerin zu sein, wenn auch manche Entscheidungen von ihr kaltblütig erscheinen. Allerdings sind es keine Entscheidungen, die nicht so auch ein Mann treffen würde.

Im Laufe der Jahre lernt sie auch ein paar Menschen kennen, die sie bei ihrem Vorhaben unterstützen, allen voran ihre Frau Ma Xiuying, die um ihr Geheimnis weiß, aber es nicht schlecht findet, mit einer Frau verheiratet zu sein, da sie so auch selbst in dieser Gesellschaft frei sein kann. Demgegenüber gibt es auch einen Kontrahenten des Mädchens, der immer wieder auftaucht und dem Mädchen zeigt, dass es doch nicht so einfach ist, einen Weg an die Spitze zu finden. Dessen Geschichte wird parallel zur Geschichte des Mädchens erzählt. Dadurch wirkt dieser Gegner greifbarer, da auch er einen Platz in dieser Welt sucht.

Ich fand dieses Buch sehr spannend, da es eine gute Balance zwischen geschichtlichen Fakten der Yuan-Dynastie auf der einen Seite findet und auf der anderen Seite sich auch die Zeit nimmt, die zwischenmenschlichen Beziehungen gut darin einzubetten. Alles in allem kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine Geschichte über ein Mädchen lesen möchte, das die Existenz ihres Bruders annimmt, um sein vorherbestimmtes Schicksal zu übernehmen.

Vielen lieben Dank an den CrossCult Verlag für das Rezensionsexemplar! 💗

 

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