Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken.

 Rezension 

"Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" 

von Haruki Murakami 

Ein Junge verliebt sich mit 17 Jahren unsterblich in ein 16-jähriges Mädchen und verbringt mit ihr einen wunderschönen Sommer. Immer wieder erzählt sie ihm von einer ummauerten Stadt, die nur betreten werden kann, wer seinen eigenen Schatten zurücklässt. Als das Mädchen plötzlich verschwindet, begibt sich der Junge auf die Suche nach ihr. Doch, was er findet, stimmt ihn traurig und die Erinnerung an das Mädchen lässt ihn auch noch Jahre danach nicht los. Erst als er auf einen seltsamen Jungen trifft, der ihm eine Karte der ummauerten Stadt reicht, lässt ihn hoffen, dass noch nicht alles verloren ist.

Nachdem ich die Kurzgeschichte „Honigkuchen“ von Haruki Murakami gelesen habe, war ich sehr gespannt darauf zu erfahren, wie sich eine längere Geschichte von ihm liest. Denn eine längere Geschichte stellt noch einmal völlig neue Anforderungen an einen Autor als eine Kurzgeschichte. Vor allem das Thema „Spannung über einen längeren Zeitraum“, sehe ich hierbei als essenziell.

So beginnt das Buch leicht und melancholisch, ähnlich wie auch das Buch „Honigkuchen“, in dem ein Junge über seine gefundene Liebe erzählt und wie tragisch sie ihm entrissen wurde. Nach diesem ersten Teil war ich mir unsicher, wie die Geschichte weitergehen soll, denn für mich war nach diesem Abschnitt schon ein gedanklicher Cut, so wie auch Kurzgeschichten meistens enden.

Doch danach geht es mit dem Leben des namenlosen Erzählers weiter und wie er in den Jahren ohne das Mädchen weitermacht, in dem er sein Studium beendet, einen Job findet und Beziehungen zu anderen Frauen hat, die aber nie so tief wie die Beziehung zu diesem Mädchen reichen. Dieser Abschnitt liest sich sehr monoton und man kann förmlich spüren, wie ihm die Freude am Leben entrissen wurde.

Erst als er eine neue Anstellung in einer Bibliothek auf dem Land annimmt, baut das Buch wieder mehr Spannung auf, denn die Bibliothek hat einige Geheimnisse zu bieten. Ich fand diesen Abschnitt mit am besten, da der namenlose Erzähler nun auf die Suche nach Antworten geht, um herauszufinden, was es mit der ummauerten Stadt von damals auf sich hat. Dadurch bekommt das Buch wieder eine völlig neue Dynamik und mein Eindruck der vorherigen Kapitel hat sich an diesem Punkt wieder ein wenig relativiert, da es diese monotonen Kapitel von davor braucht, damit man versteht, wie es der namenlose Erzähler in diesem Abschnitt wieder schafft, neuen Lebensmut zu entwickeln. 

Alles in allem hat sich das Buch wie eine Art „Fluss“ gelesen, der am Anfang noch ruhig vor sich hinfließt und ab einem gewissen Punkt, viele Etappen überwinden muss, um endlich im großen Meer anzukommen. Eine Geschichte, die ich selten in so einer Form gelesen habe und dadurch verdient ein Meisterwerk ist. Ich kann jedem dieses Buch empfehlen, der eine melancholische Geschichte über einen Jungen lesen möchte, der sich auf die Suche nach seiner verlorenen Liebe begibt und dabei sich selbst findet.

 

Vielen lieben Dank an den Dumont Buchverlag für das Rezensionsexemplar! 💗

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