Die Zeit der Bestrafung ist angebrochen..

 Rezension 

"Infernicus" von Leslie Meilinger 

 

Gorrae – ein unwirtlicher Ort, verbunden mit der Welt, wie wir sie kennen durch Portale, die in Hainen zu finden sind. Doch obwohl diese Welt so nah wirkt, ereignen sich dort schreckliche Dinge: Staubgeborenen wird kein Asyl gewährt, Kämpfe erschüttern das Land, Hexer werden in ihren Rechten beschnitten und so mancher Fürst wird vor schwerwiegende Entscheidungen gestellt. Dabei sollte einer viel schlimmeren Bedrohung mehr Bedeutung zugemessen werden: den Dämonen, die sich nach dem Tod von Behemoth über das Land verteilt haben. Doch was soll man tun, wenn sich am Ende sogar die Götter von einem abwenden?

Ich habe mich schon im Vorfeld sehr auf die Kurzgeschichtensammlung von Leslie Meilinger gefreut. Nicht nur, weil ich auch schon Testleserin dieses Buches war und gewusst habe, wie viel Potential in diesem Werk steckt, sondern auch weil nun endlich gewisse Umstände erklärt werden, die in ihrem Buch „die Lehre des Sanzibor“ nur kurz angerissen wurden. Das Erlebnis der Welt von Gorrae fühlt sich nun vollständiger an und eignet sich so wohl für Neueinsteiger als auch für Menschen, die auch schon das Erstlingswerk der Autorin kennen.

Einer dieser Umstände, die nun einen Kontext erhalten haben, ist z.B. der Grund, warum das Volk der Erisier, die Fähigkeit verloren hat zu fliegen. In der Kurzgeschichte „die Zeit der Bestrafung“ wird eindrücklich beschrieben, wie schnell man als Herrscher zum Spielball der Kräfte „Gut gegen Böse“ werden kann und welche Konsequenzen manche Entscheidungen mit sich bringen. Gerade diese Geschichte hat mich mit einem mulmigen Gefühl zurückgelassen, denn über allem steht die Frage „wie soll man als Volk weitermachen, wenn ein einzelnes Menschenleben nichts mehr wert ist?“. Eine wahre Gänsehaut-Geschichte!

Daneben gibt es noch vier weitere Kurzgeschichten, die es alle schaffen mit den Erwartungen des Lesers zu spielen, denn meist ist nichts so, wie es am Anfang scheint. Entscheidungen, die sich am Anfang noch „richtig“ anfühlen wie z.B. seinen Beobachtungsposten zu verlassen, um einem Geräusch nachzugehen, stellen sich im Laufe der Geschichte dann doch eher als falsch heraus. Selten endet eine Geschichte mit einem Happy End, denn meist bleibt ein bitterer Nachgeschmack zurück, der eine Art Moral für die Protagonisten darstellt. Genau dieser bittere Nachgeschmack macht die Geschichten so fantastisch und gibt den Geschichten etwas Einzigartiges, denn sie regen zum Nachdenken an und man wird sie mit Sicherheit auch so schnell nicht vergessen.

Zudem bietet die Welt von Gorrae einige interessante Charaktere. Allen voran der Junghexer Fynx, der gleich in drei Kurzgeschichten eine mehr oder minder große Rolle innerhalb der Geschichte spielt. Dabei wirkt er zwar meistens sehr abweisend und lässt niemanden wirklich an sich heran, jedoch merkt man bald, dass vielleicht mehr hinter dieser Fassade schlummert. Dazu passt auch sehr gut das Zitat, das die liebe Leslie Meiliniger mir zugedacht hat, um es in meiner Rezension unterzubringen: „Ich sorge schon dafür, dass du Gorrae nicht unter Wasser setzt.“ Dieses Zitat stammt aus der Kurzgeschichte, „Mit den Schatten“ und beschreibt Fynx Wesen eigentlich sehr treffend. Denn auf der einen Seite ist er zwar abweisend, aber das Schicksal der Menschen um ihn herum ist ihm auf keinen Fall egal. So macht er sich bei seiner Wahl, welcher Junghexer in den Kreis der Sieben Thoten aufgenommen wird, schon seine Gedanken, denn er überlegt sich genau, welcher Hexer eine Gefahr für das Allgemeinwohl darstellt und demnach schnell eine geeignete Ausbildung braucht, um zu lernen, seine Kräfte besser zu kontrollieren. Auch seine Meisterin „Vesna“ ist ihm nicht egal, obwohl er immer wieder mit ihr Meinungsverschiedenheiten hat. Dies macht Fynx zu einem sowohl interessanten als auch ambivalenten Charakter, von dem ich persönlich gerne noch viel mehr Geschichten gelesen hätte.

Demnach kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine düstere Sammlung von Kurzgeschichten in einer fantastischen Welt voller Gefahren lesen möchte.

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