Manchmal muss man sich gegen die Gezeiten des Lebens behaupten

 Rezension

"Die Gezeiten von Cramond

von Esther Destratis

 

Trotz ihrer jahrelangen Tätigkeit bei der Greenwich Pottery Company in Manchester verliert Alice im Zuge des Brexits ihren Job als Teekannenkeramikerin. Damit wird ihr mit einem Schlag ihre Existenzgrundlage genommen und sie muss schauen, wie sie mit ihrer Tochter Cathy als alleinerziehende Mutter über die Runden kommt. Obwohl sie sich geschworen hat, nie wieder einen Schritt in die Stadt ihrer Jugend Cramond zu setzen, begibt sie sich dorthin, als ihre Tante Trudy Hilfe in ihrem schlechtlaufenden Geschäft „Lady Teapot“ braucht. Nie hätte sie es für mich gehalten, wie schnell sie wieder von der Vergangenheit eingeholt werden wird, als ihre große Liebe Gabriel vor ihr in Cramond steht.

Ich habe dieses Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen, weil ich unbedingt wissen wollte, was Alice so Schlimmes in ihrer Vergangenheit widerfahren ist, dass sie sang und klanglos aus Cramond verschwunden ist, obwohl sie dort eine liebevolle Tante wohnen hat. Von Anfang merkt man, dass Alice ein Geheimnis mit sich herumträgt, dass sie vor vielen Jahren in ihrem Bewusstsein weggeschlossen hat. Erst ihr verlorener Job gibt ihr die Möglichkeit, sich wieder mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Anfangs erfährt man nur teilweise, was der Grund sein könnte, warum sie Cramond verlassen hat, aber spätestens als ihre Geschichte in Rückblenden erzählt wird, erfährt man sehr deutlich, was geschehen ist.

Diese Suche nach Antworten fand ich sehr spannend und auch wenn ich anfangs nicht verstehen konnte, warum sich Alice so ziert, ihre Vergangenheit preiszugeben, habe ich Alices Gründe am Ende sehr gut nachvollziehen können. Es ist eine sehr traurige Geschichte, die vielleicht vielen so schon passiert ist und ich habe mit ihr mitgefühlt.

Trotz aller Rückschläge ist es Alice aber dennoch gelungen, eine wundervolle Tochter in die Welt zu setzen, wenn ihr Verhältnis am Anfang des Buches auch alles andere als gut ist. Denn Alice vernachlässigt ihre Tochter leider aufgrund ihres Jobs, sodass sie nichts von den Sorgen und Problemen ihrer Tochter weiß. Erst die Reise nach Cramond bietet den beiden eine Chance, dass sie sich annähern können. Ich fand es sehr schön zu lesen, wie die beiden in der Fremde aufblühen, wenn es auch Zeit braucht. Denn ein großes Geheimnis, das ebenso in diesem Buch gelöst wird, ist das Geheimnis um Cathys Vater. Gerade dieses Geheimnis bietet einige Überraschungen, mit denen ich so nicht gerechnet hätte. Zwar wirkte es zunächst auf mich, dass die Geschichte viel zu groß ist, um auch noch in diesem Buch thematisiert zu werden, aber im Nachhinein finde ich es sehr toll, dass das Thema auch noch seinen Platz gefunden hat.

Darüber hinaus fand ich auch das Verhältnis zwischen Alice und ihrer Tante Trudy schön. Obwohl die beiden sich über Jahre nicht mehr gesehen haben, ist es so, als ob es diese Zeit und die Entfernung nie gegeben hat. Auch Tante Trudy hat ihre Geschichte, die mich ebenso gerührt hat wie auch die Suche nach Cathys Vater.

Alles in allem kann ich jedem dieses Buch empfehlen, der eine Geschichte über eine Frau lesen möchte, die sich versucht, gegen die Gezeiten ihres Lebens zu behaupten und dabei Hilfe von wundervollen Menschen erhält.

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