Erschaffe ein Leben, das sich im Inneren gut anfühlt. Nicht eins, das nur von außen gut aussieht.

 Rezension 

"Das Lichtenstein - Modehaus der Hoffnung" 

von Marlene Averbeck

Nach den turbulenten Ereignissen des ersten Bandes, als ein Feuer im Berliner Modehaus Lichtenstein ausgebrochen war, ziehen die Jahre ins Land. Das Leben der drei Freundinnen Hedi, Thea und Ella haben sich seit damals grundlegend verändert. Die Vorführdame Hedi wird Mutter und kehrt dem Lichtenstein den Rücken, um sich auf ihre neue Pflichten zu konzentrieren, die Näherin Thea findet ihr Glück in einer neuen Beziehung und die Schauspielerin Ella muss wieder ihren Platz in der Welt finden. Aber nicht nur das Leben der Freundinnen hat sich verändert, sondern auch das Lichtenstein steht vor einer besorgniserregenden Veränderung: Ludwig Lichtenstein nimmt Verhandlungen mit dem Beschaffungsdienst der Nazis auf.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase war ich wieder total der Geschichte rund um das Berliner Modehaus Lichtenstein verfallen. Ich fand es spannend zu erfahren, was aus den lieb gewonnen Charakteren des Lichtensteins geworden ist, wenn mich auch manche Veränderungen sehr traurig gestimmt haben. Allen voran die immer brüchiger werdende Ehe zwischen Hedi und Hannes, dabei habe ich mich doch im ersten Band so darüber gefreut, dass die beiden zueinander gefunden haben.

Allerdings gehen die Jahre nicht unbemerkt an ihnen vorbei und die Entbehrungen, die die Kriegsjahre mit sich gebracht haben, klingen in jeder Handlung der Bevölkerung noch nach. So leidet Hannes immer noch an den Schrecken des Krieges und seiner Verletzung, die ihn zu einem Krüppel gemacht haben, sodass er sich minderwertig fühlt. Dies belastet auch gleichzeitig die Ehe zwischen Hannes und Hedi, denn Hedi spürt schon lange keine Leidenschaft mehr zwischen ihnen. Ich konnte diese Konflikte sehr gut nachvollziehen und die melancholische Atmosphäre war für mich fast spürbar.

Darüber hinaus geht es auch dem Lichtenstein alles andere als gut. Das Geld ist knapp und die Leute geben immer weniger Geld für Konsumgüter aus. Nur wenige Menschen können sich noch Kleidungsstücke leisten, die extra für sie hergestellt werden und Warenhäuser mit Schnäppchenangeboten ziehen am Lichtenstein vorbei. Aus dieser Not heraus entschließt sich Ludwig Lichtenstein dazu auf, einen Deal mit den Nazis einzugehen und Braunhemden im Lichtenstein herzustellen, um die Soldaten damit zu versorgen.

Gerade diese Situation fand ich sehr packend geschrieben, denn auf der einen Seite bekommt man den Unmut der Belegschaft mit, die sich offen gegen einen solchen Deal stellen, aber gleichzeitig merkt man auch, dass viele Arbeiter diesem Deal nicht abgeneigt sind und mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten sympathisieren. Man fühlt sich über dem Lesen leicht unwohl, denn man weiß ja, welche Folgen die Unzufriedenheit der Bevölkerung nach sich gezogen hat und wie die Nationalsozialisten so langsam aber stetig an die Macht gekommen sind. Dabei fand ich es klasse, wie neutral die Erzählung gehalten ist und unterschiedliche Charaktere mit ihrer jeweiligen Meinung einen Platz im Buch finden.

Wieder einmal hat mich das Schicksal des Lichtensteins tief bewegt, denn die Arbeiter leben für dieses Modehaus und das merkt man in jedem Satz dieser Erzählung. Ich bin schon sehr gespannt, wie es mit dem Lichtenstein weitergehen wird, denn bald steht der Zweite Weltkrieg bevor und das dieser Weltkrieg viele Schicksale verändert hat, muss man, glaub ich, nicht mehr erwähnen. Ich kann nur jedem dieses Buch empfehlen, der eine wunderbar einfühlsame Geschichte eines Berliner Modehaus lesen möchte, in dem die Arbeiter für ihren Platz in diesem Modehaus jeden Tag kämpfen und so die deutsche Geschichte prägen.

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